Lampenfieber und Prüfungsangst - Wie du sie bewältigst!

Wer kennt das nicht? Auf uns wartet eine Präsentation vor einigen Kollegen, Kursteilnehmern oder Schulkameraden. Morgens wachen wir bereits mit leichtem Magengrummeln auf und fühlen uns fiebrig. Eine innere Unruhe erfasst uns und in Gedanken sind wir längst bei dem angsteinflößenden Ereignis. Wir stellen uns vor, wie wir vor dem Publikum stehen und uns die Worte im trockenen Hals stecken bleiben, wie uns die Fernbedienung für den Beamer beinahe aus den zitternden Finger fällt und uns die Zuhörer gelangweilt oder gar schockiert anstarren. Mittlerweile springt uns das klopfende Herz beinahe aus der Brust. So oder so ähnlich hast du das bestimmt auch schon einmal erlebt.

“Ich sehe diesem Tag mit einigen vollen Hosen entgegen."

Kurt Tucholsky (1890-1935), dt. Schriftsteller

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Lampenfieber kennt jeder Mensch! Der Hintergrund sind Ängste:

  • Angst zu versagen,

  • sich zu blamieren oder

  • negativ bewertet zu werden.

Auch wenn ich weiß, dass du gleich am liebsten diesen Artikel wegklicken möchtest, sage ich dir: Lampenfieber ist unser Freund, nicht unser Feind!

Dieses Phänomen sorgt nämlich dafür, dass unser Körper Adrenalin ausschüttet. Dadurch wird unser Stoffwechsel ordentlich angekurbelt. Wir fühlen uns wach, im Hier und Jetzt orientiert und energiegeladen. Unsere Konzentrationsfähigkeit erreicht unter einem «gesunden» Lampenfieber die Maximalleistung. Obwohl es sich unangenehm anfühlt, sorgt es also dafür, dass wir unseren Vortrag mit voller Leistungsfähigkeit halten können. Was genau in deinem Körper passiert, wenn du Angst spürst, kannst du übrigens hier nachlesen.

Dennoch ist Lampenfieber eine Gradwanderung. Denn sie kann zu einem Ausmaß ansteigen, an dem wir das Maximum an Leistungsfähigkeit des präfrontalen Cortex überschreiten und dieser seine Arbeit schließlich einstellt. In diesem Fall droht das wohlbekannte Blackout. Informationen können nicht mehr oder nur schwer abgerufen werden.

Leistungsfähigkeit in Abhängigkeit vom inneren Anspannungsgrad

Leistungsfähigkeit in Abhängigkeit vom inneren Anspannungsgrad

6 Tipps zur Vorbereitung auf einen Vortrag

Damit du auf dieser Gradwanderung auf der «guten Seite der Macht» bleibst, habe ich dir 6 Tipps zusammengestellt.

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Tipp 1

Der erste Tipp ist zwar nicht neu, aber essenziell:
Bereite dich ausgiebig auf deinen Vortrag vor und zwar mit Publikum. Wähle deine Zuhörer so aus, dass du bereist beim Üben Lampenfieber spüren wirst. Denn nur so kannst du Strategien testen, die dir später tatsächlich helfen werden.
Ziel ist es nicht nur, das freie Sprechen und die Inhalte deines Vortrages einzuüben, sondern vielmehr den Umgang mit Unsicherheit und Nervosität zu erlernen.

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Tipp 2

Ein so paradoxer wie hilfreicher Tipp:
Versuche die Angstreaktionen (Zitternde Hände, Atemnot, innere Unruhe usw.) deines Körpers zu verstärken!
Dadurch lernst du, diese Reaktionen mitzusteuern.
Ein weiterer Effekt: Die unangenehmen Körperreaktionen verflüchtigen sich nach einiger Zeit.
Um den Schwierigkeitsgrad noch zu erhöhen:
Bitte die Zuhörer, ein besonders schwer zu begeisterndes Publikum zu imitieren!

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Tipp 3

Übe besonders den Beginn und das Ende deines Vortrages ein. Mit einem besonders gelungenen Einstieg gewinnst du nicht nur Sicherheit, sondern wirst auch das Publikum in deinen Bann ziehen. Ein gutes Ende sorgt für einen unvergesslichen Nachhall-Effekt.

Natürlich sind auch die Übergänge zwischen einzelnen Passagen des Vortrages wichtig. Wenn du diese gut beherrschst, kannst du bei einem Blackout notfalls zur nächsten Passage wechseln.

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Tipp 4

Um eine besonders gelassene und positive Atmosphäre zu schaffen, starte am besten mit einem humorvollen «Icebreaker». Lachen entspannt nicht nur eine angespannte Atmosphäre, sondern auch deinen Körper! Deshalb macht es auch Sinn, immer wieder ein paar «Lacher» in den Vortrag einzubauen. So sorgst du immer wieder dafür, dass deine Anspannung ein wenig absinkt.

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Tipp 5

Mach dir bewusst, welche Folgen es für dich und andere hat, wenn dein Vortrag misslingt. Kläre auch, was geschehen müsste, damit der Vortrag für dich oder andere misslungen wäre. Überprüfe deine Ansprüche an dich als Redner. Hast du realistische Ziele im Auge oder könntest du ein wenig wohlwollender und gnädiger mit dir sein?
Stell dir die Frage, wie lange du unter den Folgen eines schlechten Vortrages leiden würdest und wie schlimm das wäre.
In den allermeisten Fällen wirst du bei diesen Fragen feststellen, dass weder dein Leben, noch dein persönliches Wohl langfristig an diesem einen Vortrag hängt.

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Tipp 6

In Vorbereitung auf ein mögliches Blackout, lege dir einen Notfallplan zurecht. Überlege dir, wie du Zeit gewinnen kannst, um dich wieder etwas entspannen zu können. Überlege z.B. wie du das Publikums einbeziehen kannst: Bereite Fragen und Diskussionsanregungen vor. Schreibe Moderationskarten, die dir helfen, wenn du den Faden verloren hast.
Überlege dir, wie du humorvoll ansprechen kannst, dass du gerade unter Strom stehst.

Do’s and Dont’s vor einem Vortrag

In den letzten Minuten und Sekunden vor einer Präsentation verstärkt sich die Nervosität noch einmal spürbar. Was du in dieser Zeit noch für dich tun kannst und was du lieber bleiben lassen solltest, erfährst du hier:

Was du direkt vor der Präsentation tun und lassen solltest.

Was du direkt vor der Präsentation tun und lassen solltest.

4 Notfall-Strategien für einen gelungenen Vortrag

Auch während einer Präsentation kannst du einiges für dich tun, um deine Aufregung auf einem mittleren Anspannungs-Niveau zu halten. Besonders wichtig: Lenke deine Aufmerksamkeit bewusst auf die Dinge, die dich ermutigen und entspannen.

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Tipp 1

Achte auf eine tiefe, gleichmäßige Bauchatmung.
Atme länger aus als ein. Fühle dabei, wie sich deine Bauchdecke leicht hebt und senkt.

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Tipp 2

Sprich langsam und deutlich und lege Pausen ein, um durchatmen zu können und um dich zu fokussieren. Das sorgt sogar im Publikum für einen positiven Nebeneffekt: Die Zuhörer haben Zeit zu reflektieren.

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Tipp 3

Achte ausschließlich auf Zuhörer, die dich freundlich anschauen. Du willst dich schließlich ermutigen!
Zeit für kritisches Feedback und Selbstreflektion ist nach dem Vortrag noch genügend da. Es macht keinen Sinn, dir während deines Vortrages Gedanken über versemmelte Zungenbrecher oder vergessene Passagen zu machen. Move on!

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Tipp 4

Stelle dir etwas zu Trinken bereit, damit die Zunge nicht irgendwann am Gaumen klebt.
Bei Nervosität ist der Speichelfluss nämlich deutlich reduziert.


Wann sprechen wir nicht mehr von Lampenfieber, sondern von Prüfungsangst?

Die Uni Giessen definiert Prüfungsängste folgendermaßen:

Von Prüfungsangst spricht man, wenn

·       die betroffene Person sich durch die Angst und/oder ihr daraus resultierendes Verhalten beeinträchtigt fühlt

·       die betroffene Person die Angst als übertrieben oder unangemessen empfindet

·       Prüfungssituationen nahezu immer Angst auslösen

·       Prüfungssituationen und/oder damit verbundene Themenbereiche (z.B. das Lernen für eine Prüfung) vermieden werden oder nur unter intensiver Angst ertragen werden.

Um von Prüfungsangst zu sprechen, müssen alle genannten Kriterien erfüllt sein. Der klinische Psychologe ordnet Prüfungsangst einer der folgenden Diagnosen zu:

·       Es handelt sich um eine Soziale Angststörung (Soziale Phobie), wenn die betroffene Person hauptsächlich vor einer möglichen Demütigung oder Peinlichkeit Angst hat, wenn sie sich also vor einer negativen Bewertung durch eine andere Person fürchtet.

·       Bei der Prüfungsangst handelt es sich um eine Spezifische Phobie, wenn die betroffene Person hauptsächlich vor einem Nichtbestehen der Prüfung Angst hat.

 

Bei Prüfungsangst lohnt sich eine ambulante Psychotherapie. In diesem Setting kann der Umgang mit Angst und den angstauslösenden Situationen gut eintrainiert werden. Auch können zugrundeliegende Themen identifiziert und bearbeitet werden.


6 Tipps zur Vorbereitung auf eine mündliche Prüfung

Bei Prüfungsängsten sind v.a. mündliche Prüfungen die Königs-Disziplin. Deshalb gebe ich euch im Folgenden hauptsächlich Tipps zur Vorbereitung und Bewältigung von Ängsten während mündlicher Prüfungen. Natürlich könnt ihr diese in leicht abgewandelter Form auch für schriftliche Klausuren anwenden.

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Tipp 1

Zunächst ist natürlich das Lernen der Inhalte besonders wichtig, denn ohne diese geht erst einmal gar nichts. Außerdem kannst du dein Sicherheitsgefühl und Selbstvertrauen enorm steigern, indem du die Lerninhalte so lange wiederholst, bis du sie sprichwörtlich im Schlaf aufsagen kannst.
Nutze Prüfungsprotokolle und informiere dich über die Lieblingsthemen deines Prüfers.

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Tipp 2

Achte darauf, dass du bei der Abfrage der Lernthemen auch prüfungsähnliche Situationen herstellst.
Genau wie bei Vorträgen, kannst du auch in diesem Zusammenhang den Umgang mit Angst erlernen.

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Tipp 3

Besuche die Prüfungsräume und fühle dich ein.
Sieh dich um und verbinde einige markante Gegenstände dort mit lustigen Geschichten, angenehmen Erinnerungen oder gar Lerninhalten. So kannst du die angenehmen Gefühle, die mit den Gegenständen verbunden sind, während der Prüfung bei Bedarf abrufen.
Das Bild des Prüfungsraumes kannst du auch für den nächsten Tipp nutzen!

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Tipp 4

Von Spitzensportlern kannst du dir eine wichtige Strategie abschauen: Stell dir die Prüfungssituation so oft wie möglich vor und gehe verschiedene Szenarien durch (z.B. Prüfer stellt eine unverständliche Frage, Prüfer schaut kritisch, dir fällt eine Information nicht mehr ein etc.). Überlege dir, wie du in schwierigen Situationen reagieren möchtest und übe diese Strategien gedanklich ein. So kannst du sie später auch leichter wieder abrufen. Versuche dich in der Vorstellung der Prüfungssituation aktiv zu entspannen. So verbindet sich bereits ein entspanntes, positives Gefühl mit der Situation.

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Tipp 5

Übe dich im freien Sprechen, indem du zu Begriffen jeweils einen kleinen freien Vortrag hältst.

Übe, von einem Thema auf ein anderes zu wechseln, um flexibel reagieren zu können. So kannst du bei Fragen, zu denen dir zunächst nichts einfällt, erst einmal etwas ablenken und dir Zeit verschaffen.

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Tipp 6

Präge dir den Kontext von Begriffen ein.
In welchem Zusammenhang hast du davon gelesen? Wo in deinen Unterlagen steht der Begriff? Wo hast du diesen Lernstoff gelernt? Was hast du währenddessen gemacht? Dein Gehirn verknüpft viele Fakten mit den Lerninhalten. Sie können dir helfen, deinen Abruf zu verbessern.

Indem du Textabschnitte z.B. mit verschiedenen Farben markierst, kann sich dein Gehirn später leichter erinnern, wo es welche Information gelesen hat.

Was tun, wenn das Blackout kommt?

Besonders in mündlichen Prüfungen stellen Blackouts ein echtes Problem dar! Sie können sogar dafür sorgen, dass Prüfungen schließlich misslingen. Was also, wenn dir dieses Phänomen in einer Prüfung begegnet?

  1. Hänge dich nicht an Begriffen auf, deren Definition dir nicht mehr einfallen. Erinnere dich stattdessen an den Kontext, in dem dir der Begriff schon einmal begegnet ist. In welchem Zusammenhang hast du davon gelesen? Wo stand der Begriff in deinen Unterlagen?

  2. Versuche im Redefluss zu bleiben:

  • Wiederhole die Prüfungsfrage

  • Denke laut nach: z.B. „Das könnte man jetzt so…oder auf diese Weise…verstehen. Ich möchte zunächst auf diesen Aspekt eingehen.“

  • Lenke ab, indem du auf ein verwandtes Thema eingehst. Du kannst auch von etwas erzählen, was nicht unmittelbar mit der Frage zu tun hat. Hauptsache du gewinnst etwas Zeit und bleibst aktiv.

Noch 5 Tipps, um dich in mündlichen Prüfungen möglichst selbstsicher zu fühlen:

  1. Setze dich aufrecht hin;

  2. Sprich laut, langsam und deutlich;

  3. Schaue deinem Prüfer in die Augen oder beim Nachdenken auf einen Punkt an die Wand;

  4. Verwende möglichst viel Zeit auf die Beantwortung von Fragen, bei denen du dich sicher fühlst;

  5. Sprich Nervosität oder Blackouts an.

Wie bei allen Dingen, die wir lernen: Übung macht den Meister! Experten und Speaker sagen: Sie haben mindestens 100 Vorträge gebraucht, um sich trotz Lampenfieber sicher und geübt durch Präsentationen zu manövrieren. Sei also gnädig und wohlwollend mit dir!

 

Und nun wünsche ich dir viel Erfolg bei deiner nächsten Prüfung oder Präsentation!

Deine Sonja!